Georg Kresse, der Bauerngeneral (1604-1641)

Etwa dem Reichenfelser Schlosse gegenüber, am Felsgehänge des Triebestales, sieht man noch heute geringe Spuren einer Höhle, die als Hauptaufenthalt des Bauerngenerals Kresse bezeichnet wurde. In den Gräben am Abhang nach der Weida hin sollen seine Spießgesellen gesessen haben, und eine Gegend im Neuärgernisser Wald war als Kresses Lager allgemein bekannt und von allerlei düsteren Gerüchten umwoben.

 

Der Mann, der sich für Jahrhunderte furchtbar in das Gedächtnis der Nachgeborenen schrieb, war von Haus aus ein friedfertiger, etwas abseitiger Mensch, der in Dörtendorf ruhig seiner Arbeit nachging, solange das Dorf von den Schrecken des dreißigjährigen Krieges wenig berührt wurde. Dann aber kam ein Erleben, von dem er in den Tiefen seiner Seele erschüttert und schrecklich umgeboren wurde.

 

Er war den Tag über im Hegeholz auf der Waldarbeit gewesen und hatte nicht bemerkt, dass Kroaten das Dorf eingenommen und daselbst fürchterlich gehaust hatten. So erwartete ihn bei seiner Heimkehr eine entsetzliche Post: seine Braut um ihre Frauenehre von den Scheusalen zu Tode verwundet worden; dazu stand sein Häuslein, der Stolz seiner Väter, in hellen Flammen, so das er seine sterbende Mutter nur mit eigener Lebensgefahr heraustragen konnte. Da kam es wie eine Starre über den unglücklichen Mann. Ohne eine Träne hielt er die Totenwache bei den beiden Frauen, ohne eine Träne begrub er sie; aber sein Haar war grau geworden, und ein furchtbarer Wille war in ihm gereift: der Wille zur Rache ohne Prüfung und Barmherzigkeit.

 

Er sammelte eine Schar entschlossener Männer um sich, durch Not und Verbrechen der Feinde gleich ihm verhärtet, darunter 20 verwegene Burschen, die seine Leibgarde bildeten. Und es währte nicht lange, dass der Name Kresse wie ein Blitzstrahl in die feindlichen Truppen schlug und sie zur Flucht veranlasste, selbst, wenn der Bauerngeneral gar nicht in der Gegend weilte.

 

So schrie einer aus Dörtendorf, dem sie die Ochsen vom Pflug weg rauben wollten, mit lauter Stimme nach dem Wald hinüber: „Kresse hilf! Kresse hilf!“ Und sogleich ließen die Räuber die halb abgesträngten Tiere in Ruh und liefen, als ob die Musketenkugeln hinter ihnen her pfiffen. Wussten sie doch, was für ein Gegner der Kresse war. Die von ihm eigenhändig gegossenen Freikugeln fehlten nie, während ihm selbst nicht beizukommen war, da er sich hieb- und kugelfest gemacht hatte und auch sonst noch vielerlei geheime Künste verstand. So sagte er einst kurz vor Mitternacht, als er im Wöhlsdorfer Gasthause saß: „Wohlan, es wird Zeit! Ich muss heut noch zwei Hasen schießen!“ Damit griff er unter dem Gelächter der übrigen Gäste zum Gewehr, öffnete das Fenster und schoss. Beauftragte nun einen der Zweifler, hinaus an den Gartenzaun zu gehen, wo er zwei frisch erlegte Hasen finden werde. Als dieser richtig mit der angesagten Beute zurückkam, saßen die anderen stumm und kalt durchgraut und vergaßen das Lachen.

 

Oft verwirrte Kresse die feindlichen Soldaten dergestalt, dass sie Tag und Nacht im Kreise marschieren mussten, ohne sich zurechtzufinden. Ging Not an den Mann, wie z.B. im Himmelreich, einer Gegend voll Teiche und Gehölze bei Auma, so streute er Häcksel aus; der verwandelte sich in Heereshaufen, die gegen den Feind anrückten.

 

Als er sich mit wenig Mann in Staitz befand und umzingelt wurde, umsteckte er den Ort mit Haselgerten, worauf es den Gegnern erschien, als ob 1000 schwedische Musketiere mit Ober- und Untergewehr das Dorf besetzt hätten, Grund genug, um den Kampf aufzugeben und schleunigst das Weite zu suchen. In Pohlen bannte er eine Anzahl Plünderer an ihren Platz, so dass sie im schweren Harnisch stundenlang in glühender Sommerhitze schmachten mussten, eh er sie erbarmungslos in den Tod schickte.

 

Unzählig waren seine Listen, mit denen er seine Feinde in Hinterhalt und Fallen lockte, wo sie von seinen Scharfschützen unschädlich gemacht wurden. So unmenschlich war seine Härte und Wut, dass er einst gemeinsam mit einem Hammerschmied, seinem treuesten Genossen, einen tiefen Brunnen bis obenan mit den Leibern der Erschlagenen füllte.

 

Doch auch er konnte mit seinen Künsten dem Schicksal nicht entweichen. Nach einer nächtlichen Unternehmung lag er im oberen Gasthof zu Auma auf einer Bank im Bogen der Mauer und schlief einen tiefen Schlaf. Da wurde er von Hatzfeld´schen Reitern beschlichen, die ihm schon lang den Tod geschworen hatten. Sie warfen sich über ihn und brachten ihm eine kleine Wunde bei, um durch Blutentziehung seine Zauberkraft zu brechen. Darüber erwachte Kresse und fühlte, dass sich die Todesahnung, die er in sich getragen, nunmehr erfülle. Er musste es leiden, dass man ihn in Stricke legte, an einen Haspen in der Mauer band und mit Faustrohren und Musketen beschoss. Doch umsonst – die Kugeln zwickten ihm zwar die Haut, konnten ihn aber nicht verwunden. Darüber lächelte er, nicht spöttisch und überlegen, sondern in tiefer Schwermut; denn er hatte die blutige Arbeit satt und war die letzte Zeit immer häufiger an die Reinheit und den Frieden seiner Jugend gemahnt worden. Danach hatte ihn ein Grauen vor seinem jetzigen Zustand gefasst und alle Lebensfreude in Daseinsekel und Sehnsucht nach erlösender Ruhe verwandelt. Nunmehr, als sich die Hatzfeld´schen eine Zeitlang unnütz bemüht hatten, sagte er: „Greift unter die Bank, da liegt mein Gewehr. Das nehmt, so wird es euch besser gelingen, den Bauerngeneral Georg Kresse aus der Welt zu bringen.“ Sie taten, wie ihnen geboten, und gleich die erste Kugel ging ihm mitten durchs Herz. Er sank in seinen Banden in sich zusammen, sein trauriges Leben mit einem tiefen, befreienden Seufzer aushauchend.

 

Bis zum Aum´schen Brand im Jahre 1790 hat man das Loch gezeigt, das von der durchgeschlagenen Kugel in die Wand gegraben war; denn es haftete kein Kalk an der Stelle, und die Blutspritzer waren nicht abzuwaschen.

 

Quelle: Sage von Paul Quensel

 

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