Über des Landgrafen Ludwig Tat ward viel Redens im Thüringerlande. Die, so gezogen hatten und die Geißel gespürt, schämten sich und seufzeten im stillen; andere, die nicht dabei gewesen, sprachen, sie hätten eher den Tod erlitten als solche Schmach.
Am schlimmsten erging es in der öffentlichen Meinung den Beamten, wie allemal, wenn sich Hader und Zwietracht erhebt in einem Lande zwischen Fürst und Volke, sie mußten nun allein die Sündenböcke sein, sie mußten alles verschuldet haben. Einige trieben ihren Groll bis zu Mordversuchen, aber Gottes Hand schirmte den Regenten, und die Meuchelmörder nahmen ein schmähliches Ende.
Der Landgraf ging mit seinen Dienern immer und überall in einem Eisenpanzer, darum und von seiner Strenge ward er der eiserne Landgraf geheißen. Dieser Landgraf hatte den höchsten irdischen Herrn im Reiche zum Schwager, Kaiser Friedrich, den Rotbart. Der kam von seiner unweiten Kaiserburg Kyffhausen herüber auf die Numburg zum Besuche, die war aber noch ohne Mauern, und dem Kaiser gefiel die niuwe Burg, und sprach: „Schade, daß sie nicht Mauern hat, sie sollte stark und feste sein.“ – „Ho,“ sagte Ludwig, „um die Mauern sorg‘ ich nit, die kann ich haben, alsbald ich will.“ – „In wie kurzer Zeit?“ fragte der Kaiser. – „Näher denn in drei Tagen.“ – „Das ist bei Gott nicht möglich,“ entgegnete der Rotbart, „und wenn alle Maurer des Reichs beisammen wären.“ – Darauf ging der Kaiser zu Tische, und der Landgraf entsandte sogleich Eilboten durch sein ganzes Land an alle seine Grafen und Edeln, daß sie alsbald gen Freiburg aufbrechen sollten im besten Geschmuck der Waffen mit nur wenig Wappnern – war auch eine gute Gelegenheit, der Vasallen Gehorsam zu prüfen – merkten das auch und kamen allzumal pünktlich.
Und als der Morgen des dritten Tages anbrach, da richtete der Landgraf alles zu nach seinem Willen und ging zu seinem Schwager ins Gemach und sprach: „Mein Kaiser, die Mauer ist fertig.“ Da bekreuzte sich der Kaiser und dachte, hier müsse Satans Hilfe im Spiel sein, und trat heraus und staunte, denn da ersah er eine lebendige Mauer stehen rings um die Burg, Mann an Mann, im Glast der Harnische und Gewaffen. Wo ein Turm stehen mußte, stand ein Graf, und vor ihm sein Bannerträger, und dazwischen die Herren und Edeln. Da flatterten im frischen Morgenwind bunt und schön die Bannerfahnen der Grafen von Schwarzburg und von Käfernburg, von Gleichen, von Hohnstein, von Stolberg, von Mansfeld, von Rheinstein, von Orlamünde, von Arnsburg, Beichlingen, Gleisberg, Lobdaburg und anderer und so vieler edler Herren von Apolda, Blankenheim, Heldrungen, Treffurt, Kranichfeld, Leutenberg, Salza, ohne den zahlreichen niedern Adel, der nicht über weite Herrschaften gebot, aber doch stattliche Burgsitze und viele Güter hatte.
Da rief Kaiser Friedrich aus: „Fürwahr, solch eine edle, köstliche, teure und feste Mauer sah ich noch nie! Habe Dank, Schwager, daß du solche mir gezeigt.“
Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853